„Das größte unerforschte Gebiet auf der Welt ist der Raum zwischen den Ohren.“ – (William O’Brian)
Santiago Felipe Ramón y Cajal wuchs als Sohn eines Arztes in einem Pyrenäendorf auf. Die wechselnden Arbeitsorte seines Vaters brachten es mit sich, dass Ramón y Cajal die Idee hatte, wenn er erwachsen ist, in die große Welt hinaus zu ziehen. Nach der Grundschule wechselte er auf ein Gymnasium und machte Abitur. Obwohl er im Alter von vierzehn Jahren zunächst eine Ausbildung zum Barbier machte, war es seine begaung zu zeichnen, die ihn von einem Leben als Künstler träumen ließ.
1870 übersiedelte seine Familie nach Saragossa, wo er auf Wunsch seines Vaters eine medizinische Laufbahn einschlug, wobei er auch seinem Vater an der medizinischen Schule bei Sektionen assistierte. 1875 nahm er 22 Jahre jung eine Stelle als Assistenzarzt an der Medizinischen Fakultät der Universität Saragossa an und wurde zwei Jahre später in Madrid promoviert. Im Jahr 1883 wurde Santiago Ramón y Cajal Professor für Beschreibende und Generelle Anatomie an der Universität Valencia, wo er medizinische Zeichnungen anfertigte uns für sein späteree Werk „Manual de Histología normal y técnica micrográfica“ (deutsch: „Handbuch der normalen Histologie und mikroskopischen Technik“) arbeitete. Wegen seiner außerordentlichen Fähigkeiten wechselte er 1877 als Professor für sein Fachgebiet an die Universität Barcelona und wechselte 1892 in den gleichen Fachrichtungen an die Madrider Universität.
Was damals noch niemand ahnen konnte: mit seinen zeichnerischen Darstellungen von Nervenzellen, schrieb er in den Jahren danach Wissenschaftsgeschichte und wurde dafür 1906 mit den Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet, denn mit seinen Zeichnungen des Nervensystems im menschlichen Gehirn wurde er für die Neurobiologie ebenso bedeutsam wie beispielsweise Charles Darwin für die Evolutionsbiologie. Dabei hielt Cajals Erzeuger seinen Sohn anfangs für einen Versager. Der hatte als Heranwachsender oft Unfug im Kopf oder hing romantischen Träumereien nach. Der Vater ließ ihn dafür hungern oder schlug ihn blutig, Es sei „der absolute Terror“ gewesen, schrieb Cajal später in seiner Autobiografie.
Der erste Blick durch ein Mikroskop wurde für Cajal dann zu einem Erlebnis, das, wie er schrieb, sein Leben veränderte. Er sah einen mit Curare gelähmten Frosch, dessen weiße Blutkörperchen sich durch die Blutgefäße zwängten. „Ein erhabenes Spektakel“, schrieb er, duch das sich „plötzlich ein Schleier von meiner Seele lüftete.“ der spätere Nobelpreisträgen zeichnete alles auf, was er sah. Die Purkinjezellen des Kleinhirns mit ihrem ausladenden Geflecht buschartig verästelter Ranken, die grazilen Pyramidenzellen des Hippocampus, die ihm „wie Pflanzen im Garten“ erschienen. Dadurch erkannte er als Erster, dass Nervenzellen in sich abgeschlossene Gebilde sind. Ramón y Cajal hatte so die Grundbausteine des Nervensystems entdeckt und aufgezeichnet.
Der Wissenschaftler wollte der ganzen Welt zeigen, was er entdeckt hatte, äzte Lithografien und ließ 60 Exemplare drucken, die er an die Koryphäen der großen Wissenschaftsnationen verschickte – und die Fachwelt schwieg. Wie ein Besessener schrieb er Artikel um Artikel, von denen viele davon heute als Pionierarbeiten der Hirnforschung gelten. Immer noch gab es keine Reaktionen auf seine Arbeit. Um endlich international Gehör zu finden, lud sich Cajal selbst auf die Tagung der Deutschen Anatomischen Gesellschaft in Berlin ein. Mit seinem letzten Geld wagte er die Reise nach Berlin und doch erheiterte er die versammelten Kollegen mit seinem holprigem Französisch mehr als mit seinen Erkenntnissen. Enttäuscht wollte er bereits abreisen, als ihn der bekannte Würzburger Anatomen Albert Kölliker bat, einen Blick durch sein Mikroskop werfen zu dürfen: Kölliker war überwältigt.
In Windeseile sprach sich herum, was Santiago Felipe Ramón y Cajal als erster entdeckt hatte, nämlich dass Nervenzellen über den schmalen Spalt, der sich zwischen ihnen auftut, miteinander kommunizieren, und als er wenige Tage später Berlin verließ, hatte er die Achtung der wissenschaftlichen Welt gewonnen. Der Nobelpreis 1906 war die logische Folge. Geradezu visionär hatte Cajal viele Prinzipien der neuronalen Verschaltung vorausgeahnt. So begriff er, dass das Netzwerk der Nervenzellen im Gehirn fortwährender Veränderung unterworfen ist und dass die geistige Aktivität als treibende Kraft dabei wirkt.
Hinweis: Zeichnung von Santiago Ramón y Cajal. Hier hat er alle verschiedenen Zelltypen des Kleinhirns in ihrer charakteristischen Anordnung dargestellt.