Dies sei der Beginn einer neuen Ära in der Hirnforschung, „in der wir besser verstehen können, wie sich Gehirne entwickeln, wie sie altern und von Krankheiten in Mitleidenschaft gezogen werden“, sagten mehrere WissenschaftlerInnen vor Kurzem gegenüber den Fachzeitschriften „Science“, „Science Advances“ und „Science Translational Medicine“ über den umfangreichsten Zellatlas des menschlichen Gehirns, der bislang erstellt werden konnte und unter anderem mehr als 3000 Typen von Hirnzellen definiert. Hierfür wurden Aktivitäten mehrerer Forschungsteams im Projekt BICCN (Brain Initiative Cell Census Network) gebündelt.
BICCN erlaube nun auch, weitere Erkenntnisse über das menschliche Gehirn zu gewinnen, wie es heißt. Etwa darüber, wie sich die Gehirne von Menschen und von Primaten unterscheiden. Daran beteiligt war unter anderem ein Team um Nikolas Jorstad vom Allen Institute for Brain Science in Seattle. Es untersuchte beispielsweise die Hirnregion, die beim Menschen mit der Gesichtserkennung und mit dem Lesen in Verbindung gebracht wird, von erwachsenen Menschen, Schimpansen, Gorillas, Rhesusaffen und Weißbüschelaffen. „Nur wenige Hundert Gene zeigten menschenspezifische Muster, was darauf hindeutet, dass relativ wenige zelluläre und molekulare Veränderungen die Hirnrindenstruktur des erwachsenen Menschen eindeutig definieren“, fassten die Forschenden ihre Erkenntnisse zusammen.
Weiter hieß es in „Science“, einige Forschungsarbeiten hätten auch die Entwicklung des menschlichen Gehirns vom frühen Embryonalstadium an betroffen, was dem Team von Sten Linnarsson vom schwedischen Karolinska Institut auch neue Erkenntnisse über einen der aggressivsten Hirntumoren brachte. Man habe beobachtet, dass diese Krebszellen Hunderte von Genen aktivierten, die für sie spezifisch sind, und es könnte interessant sein zu untersuchen, ob es ein Potenzial für die Suche nach neuen therapeutischen Zielen gebe, berichtete Linnarsson.
Doch es gehe den Forschenden auch um Fortschritte in der Humanmedizin, wobei die Kartierung der verschiedenen Zelltypen im Gehirn und das Verständnis ihrer Zusammenarbeit „uns letztendlich dabei helfen, neue Therapien zu entdecken, die auf einzelne Zelltypen abzielen, die für bestimmte Krankheiten relevant sind“, wie Bing Ren von der University of California berichtete. So konnten die Wissenschaftler molekularbiologische Aspekte von 107 verschiedenen Subtypen von Gehirnzellen mit einem breiten Spektrum neuropsychiatrischer Erkrankungen in Verbindung bringen, darunter waren schwere Depressionen, Schizophrenie, die Alzheimer-Krankheit und bipolare Störungen.